arbeitet, wie er kann. Wir stellen unsere Leute per Computer ein, sie arbeiten am Computer und sie werden auch per Computer gefeuert. Mit unserer Effizienz konnten wir den Umsatz seit unserem Beginn vor dreizehn Jahren von null auf über sechs Mrd. Dollar hochjagen. (Martin/Schumann, Die Globalisierungsfalle, 1996, S. 11) Als spezielles Problem, vor allem für Europa, stellte sich die Verlagerung zahlreicher Produktionsstandorte von transnationalen Konzernen nach Ostasien und Indien heraus. Dort können sie trotz zusätzlicher Transportkosten billiger produzieren. Im Gefolge der Corona-Pandemie (2020–2022) überlegte daher z.B. die EU, wichtige systemrelevante Produktionszweige, wie die Pharmaindustrie, zurück nach Europa zu verlegen. Die zunehmende internationale Arbeitsteilung trägt zwar dazu bei, die weltweite Wirtschaftsleistung zu steigern und das Wohlstandsniveau zu heben. Trotzdem nimmt in vielen Teilen der Welt die materielle Ungleichheit zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu. In entwickelten Industriestaaten etwa steigt das Lohnniveau der Beschäftigten nur mäßig, teilweise sinkt es sogar; die Gehälter des Managements und die Konzerngewinne hingegen steigen stark. Das Topmanagement von Konzernen steht unter dem Druck, für transnationale Aktionärinnen und Aktionäre maximale Gewinne erzielen zu müssen. Diese könnten sonst ihre Investitionen zurückziehen. Das neoliberale System zwingt sie auf diese Weise zum „Erfolg“. Soziale Überlegungen werden dabei teilweise als zweitrangig bewertet. Staatsausgaben kürzen, Löhne senken, Sozialausgaben streichen – die Reformprogramme im Zeichen der Globalisierung sind in vielen Industrieländern ähnlich. Die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht globalisiert. Einen Globalisierungsvorteil gibt es vor allem in Bezug auf Expertinnen und Experten. Das sind qualifizierte Arbeitskräfte z. B. aus den Bereichen Naturwissenschaften, Technik, Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie werden überall auf der Welt besonders stark nachgefragt. Umweltprobleme sind nicht zu übersehen Wie in den vergangenen Jahrzehnten deutlich geworden ist, verursachen die neuen Technologien auch erhebliche Umweltprobleme. Der britische Historiker Peter Frankopan weist beispielsweise auf Folgendes hin: L Geschätzt mehr als 75 Prozent der fabrikneuen Plastikmaterialien, die je produziert wurden, sind inzwischen zu Abfall geworden. 9 Prozent davon wurden recycelt, 12 Prozent verbrannt, und der Rest – rund fünf Milliarden Tonnen – hat sich bei der Landverfüllung und auf Deponien angesammelt, oder aber in der natürlichen Umwelt, z. B. in den Weltmeeren. (Frankopan, Zwischen Erde und Himmel, 2023, S. 44). Chancen und Risiken der Globalisierung Globalisierung bietet für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Chancen, aber auch Risiken. Angus Deaton, britisch-US-amerikanischer Nobelpreisträger für Wirtschaft, beschreibt die Globalisierung als Entwicklung mit vielfältigen und teilweise gegenläufigen Folgen. Zunächst aber hat die Globalisierung die weltweite Armut deutlich verringert: L Die Globalisierung hat mit dem Rückgang der globalen Armut seit 1980 die bisher schnellste Entwicklung des Lebensstandards in der Welt insgesamt gebracht. Dies hat dazu geführt, dass der Anteil der Weltbevölkerung, der von weniger als einem Dollar pro Tag lebt, von 40 auf 14 Prozent gesunken ist. Obgleich die Armutsquote auch in anderen Regionen der Welt abgenommen hat, ist der Rückgang der absoluten Zahlen an armen Menschen weitgehend auf das rasche Wachstum Chinas und Indiens zurückzuführen. (…) Weil ein Großteil der Weltbevölkerung zurückgelassen wurde, fällt die Ungleichheit in der heutigen Welt unermesslich viel größer aus als vor 300 Jahren. (…) Länder, die vor nicht allzu langer Zeit noch arm waren, wie China, Indien oder Süd-Korea haben sich die Globalisierung zunutze gemacht und sind rasch gewachsen, viel schneller als die heutigen reichen Länder. Gleichzeitig haben sie sich von noch ärmeren Ländern abgesetzt, viele davon in Afrika. (Deaton, Der große Ausbruch 2017, S. 71, 34, 22, 323) Mit der fortschreitenden Globalisierung ab den 1980er Jahren setzten sich jedoch zunehmend verschärfte neoliberale Wirtschaftsvorstellungen durch: Der Staat solle sich als Unternehmer aus der Wirtschaft zurückziehen. Er solle nur unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen vorgeben. Mögliche negative Folgen von solchen Maßnahmen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (z.B. Abwanderung von Produktionsbetrieben in Niedriglohnländer, Abbau von Sozialleistungen, Schwächung von Arbeitnehmervertretungen) seien für eine Maximierung der Gewinne und eine Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit in Kauf zu nehmen. Auf diese Weise sollen technologische Innovation und Produktivität generell gesteigert werden. Transnationale Konzerne agieren grenzüberschreitend als „Global Player“. Sie werden immer unabhängiger von Nationalstaaten; sie können nationale Regierungen gegeneinander ausspielen – z.B. um niedrigere Steuertarife oder bessere Förderungen bei Neugründungen. Ein Topmanager der US-Computerfirma Sun Mikro-Systems äußerte sich auf einem internationalen Kongress 1995 folgendermaßen: L Jeder kann bei uns so lange arbeiten, wie er will, wir brauchen keine Visa für unsere Leute aus dem Ausland. Regierungen und deren Vorschriften für die Arbeitswelt sind bedeutungslos geworden. Beschäftigt wird, wen man gerade braucht, der so lange Politische und soziale Welten nach 1945 147 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv
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