Zeitbilder 8, Schulbuch

Austro-Keynesianismus Die Regierung Kreisky ging zur Behebung der Wirtschaftskrise („Erdölschock“) eine höhere Staatsverschuldung zugunsten von Vollbeschäftigung ein. Diese Art der Krisenbekämpfung („deficit spending“) hatte der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883–1946) schon während der Weltwirtschaftskrise empfohlen. „Entnazifizierung“ Mit dem „Verbotsgesetz“ vom Juni 1945 wurden die NSDAP, ihre Wehrverbände (SA, SS) und alle anderen Parteiorganisationen aufgelöst und verboten. Eine Neugründung und die Wiederbetätigung für nationalsozialistische Ziele ist ebenfalls verboten (bis heute gültig). Dem folgte ein „Kriegsverbrechergesetz“ für alle ehemaligen „belasteten“ und „minderbelasteten“ Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten. Dabei wurden ca. 26 000 Personen verhaftet oder in Anhaltelagern interniert. Volksgerichte verhängten bis 1955 13 600 Urteile (davon 43 Todesurteile und 34 lebenslängliche Haftstrafen). Ab 1946 wurde die „Entnazifizierung“ von der österreichischen Regierung durchgeführt und bald zur bürokratischen Formalität. 1948 erfolgte eine umfassende Amnestie für alle „Minderbelasteten“. Viele Entschädigungsfragen der NS-Opfer blieben bis zum Ende des 20. Jh. ungelöst. GASP, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Wichtige Arbeitsfelder der GASP sind die Gestaltung der Annäherungsprozesse vor neuen EU-Beitritten, die Europäische Nachbarschaftspolitik, der Außenhandel, die Entwicklungszusammenarbeit und die Humanitäre Hilfe. Im Rahmen der GASP legen die EU-Staaten gemeinsame Positionen einstimmig fest. So kann die EU auf internationaler Ebene auftreten und ihren Standpunkt zu Konflikten, zu Menschenrechtsfragen oder zu anderen Themen im Zusammenhang mit den Grundprinzipien und gemeinsamen Werten zum Ausdruck bringen. Die Mitgestaltung und Umsetzung der GASP ist eine wichtige Aufgabe der österreichischen Außen- und Europapolitik. GSVP, Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik Die GSVP ist das wichtigste Instrument der EU zur Bewältigung neuer, unkonventioneller Sicherheitsbedrohungen. Sie erfüllt militärische und zivile Aufgaben zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit. Außerdem dient die GSVP der Vorbereitung einer möglichen künftigen gemeinsamen Verteidigung der EU. Angehörige des österreichischen Bundesheers und der Polizei sowie Diplomatinnen und Diplomaten beteiligen sich an GSVP-Missionen innerhalb und außerhalb Europas. Moskauer Deklaration Die alliierten Außenminister der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion erklärten im Oktober 1943 die Wiederherstellung eines vom Nationalsozialismus befreiten Staates Österreich zu einem der Kriegsziele. Neutralität Das Völkerrecht unterscheidet zwischen einer temporären und einer dauernden Neutralität. Die „immerwährende Neutralität“ verbietet Österreich u.a., einen Krieg zu beginnen oder daran teilzunehmen, militärische Stützpunkte auf seinem Staatsgebiet zu erlauben oder einem militärischen Bündnis beizutreten; sie verpflichtet Österreich dazu, die Neutralität mit allen Mitteln zu verteidigen. Sozialpartnerschaft Die österreichische Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft ist die Zusammenarbeit der großen wirtschaftlichen Interessensverbände. Als (ÖVP-dominierte) Arbeitgeberverbände sind das die Landwirtschaftskammer (LK) und die Wirtschaftskammer Österreich (WKO), als (SPÖ-dominierte) Arbeitnehmerverbände die Arbeiterkammer (AK) und der Österreichische Gewerkschaftsbund. Grundbegriffe • Die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zur EU unterliegt Schwankungen. Die Mehrheit misstraut der EU zwar als Ganzes, aber ebenso eine Mehrheit sieht die Zukunft der EU laut „Eurobarometer“ positiv. Eine zunehmende knappe Mehrheit fühlt sich der EU verbunden; 36 Prozent sehen positiv, aber 24 Prozent negativ (laut Eurobarometer 2025). • Im Jahr 2000 kam es erstmals zu einer Kleinen Koalition von ÖVP und FPÖ. Bis heute einmalig stellte dabei die drittstärkste Partei (ÖVP) den Bundeskanzler. Als Regierungspartei verlor die FPÖ nach parteiinternen Konflikten bei den Wahlen 2002 schwer und spaltete sich 2005 durch die Gründung des „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) nochmals. • Nach den Wahlen 2006 erfolgte bis 2017 eine Rückkehr zu Großen Koalitionen unter SPÖ-Kanzlern und ÖVP-Vizekanzlern. Die Zustimmung zu dieser Regierungsform nahm aber immer mehr ab, ebenso wie die Mandate für SPÖ und ÖVP. • 2007 wurde das aktive Wahlalter in Österreich auf 16 Jahre gesenkt und die Legislaturperiode des Nationalrats von vier auf fünf Jahre erhöht. • 2017 wurde der damalige Außenminister Kurz neuer ÖVP-Obmann. Er beendete die Koalition mit der SPÖ und wurde nach dem Sieg der ÖVP bei den Nationalratswahlen 2017 neuer Bundeskanzler. Vizekanzler wurde FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Seine Partei hatte seit 2006 bei den Nationalratswahlen ständig dazu gewonnen. • Als Folge der „Ibiza-Affäre“ im Mai 2019 beendete Bundes- kanzler Kurz die Koalition mit der FPÖ. Nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen die ÖVP-Minderheitsregierung unter Kanzler Kurz kam es zu Neuwahlen. • Bei diesen Wahlen 2019 verzeichneten die „türkise“ ÖVP (37,5 Prozent), die Grünen (13,9 Prozent) und die NEOS (8,1 Prozent) große Zugewinne. Die Grünen waren von 2020 bis 2025 erstmals in einer Regierung vertreten: mit Vizekanzler Kogler in einer „türkis-grünen“ Koalition unter Führung von Kanzler Kurz, der allerdings 2021 alle politischen Funktionen zurücklegte. • Nachfolger von Kurz wurde bis Anfang 2025 Karl Nehammer. Er trat bald nach den Nationalratswahlen 2024 ebenfalls zurück. Gewinner dieser Wahl war die FPÖ, die erstmals stimmen- und mandatsstärkste Partei im Nationalrat wurde. Dennoch konnte ihr Obmann Herbert Kickl keine mehrheitsfähige Regierung bilden. So kam es schließlich unter dem neuen „schwarzen“ ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Christian Stocker zur erstmaligen Bildung einer Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ (mit Vizekanzler Andreas Babler) und den NEOS (mit der Parteivorsitzenden und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger). • Österreich betrieb seit 1955 eine aktive Neutralitätspolitik zwischen den Militärblöcken, schickte u.a. oftmals Soldaten zu Friedenseinsätzen der UNO. Seit 1979 ist Wien neben New York und Genf UNO-Konferenzstadt. • Seit den 1990er Jahren gibt es in Österreich immer wieder eine politische Diskussion um die Beibehaltung der Neutralität, um einen möglichen Beitritt zur NATO sowie um die Frage: Beibehaltung der Wehrpflicht oder Berufsheer. • Österreich ist Mitglied der OSZE, und es ist 1995 auch der „NATO-Partnerschaft für den Frieden“ beigetreten. Österreich II – die Zweite Republik 27 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy MTA2NTcyMQ==