Zeitbilder 8, Schulbuch

Parteienvielfalt garantiert die Demokratie Q Die moderne Demokratie beruht geradezu auf den politischen Parteien, deren Bedeutung umso größer ist, je stärker das demokratische Prinzip verwirklicht ist (…). Nur Selbsttäuschung und Heuchelei kann vermeinen, daß Demokratie ohne politische Parteien möglich sei. (Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 1929, 19 f.) Obwohl die Vertreter der politischen Parteien sowohl für die Gründung der Ersten wie auch der Zweiten Republik verantwortlich waren, wurden die Parteien erst 1975 in der Verfassung gesetzlich verankert: Q Artikel I § 1 (1) Die Existenz und Vielfalt politischer Parteien sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich. (…) (3) Die Gründung politischer Parteien ist frei (…). Ihre Tätigkeit darf keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden. (…) Artikel II § 2 (1) Jeder politischen Partei sind für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit auf ihr Verlangen Förderungsmittel (…) zuzuwenden. („Parteiengesetz“ vom 2. Juli 1975, Bundesgesetzblatt Nr. 404) Über die innere Organisation einer Partei sagt das „Parteiengesetz“ nichts aus: In ihrer Grundstruktur sind die Parteien demokratisch aufgebaut. Normalerweise werden Funktionärinnen und Funktionäre von den Parteimitgliedern gewählt, und die Parteispitze stellt sich regelmäßig an Parteitagen der Wahl. Doch gerade an der Parteispitze bilden sich immer wieder Gruppierungen heraus, deren „Machtausübung“ von den Mitgliedern an der Basis nur schwer kontrolliert werden kann. Diese Funktionärselite kann nämlich durch die gesetzlich garantierten öffentlichen „Förderungsmittel“ eigenständig handeln. Das macht sie von Mitgliedsbeiträgen und Spenden unabhängiger. Politikerbezüge In Euro (seit 2025) Bundespräsident/in 26.252 Bundeskanzler/in 23.440 Vizekanzler/in (mit Ressort) 20.627 Nationalratspräsident/in 19.689 Minister/in 18.752 Rechnungshofpräsident/in 17.165 Staatssekretär/in 17.165 Nationalratsabgeordnete 10.351 EU-Abgeordnete 10.351 Mitglied des Bundesrats 5.175 Brutto-Bezügepyramide für Politikerinnen und Politiker, 2025. Zusammenstellung durch den Autor. Parteienförderung und Politikergehälter Die Höhe der staatlichen Förderung ist abhängig von der jeweiligen Anzahl der Abgeordneten, die für ihre Parteien im Nationalrat und in den Landtagen sitzen. Diese Parteienfinanzierung hat sich in den letzten Jahrzehnten vervielfacht (1979: 31 Mio.; 2009: 185 Mio.; 2024: 273 Mio. Euro) und ist im europäischen Vergleich ein Spitzenwert. Dennoch reichen diese Gelder normalerweise nicht aus, um die Ausgaben für Personalkosten, Wahlkämpfe, Öffentlichkeitsarbeit, Parteiakademien etc. zu decken. Gerade für die „Mitgliederparteien“ ÖVP und SPÖ (gilt nicht für FPÖ, Grüne oder NEOS) sind daher die regelmäßigen Beiträge ihrer Mitglieder eine wichtige Einnahmequelle. Auch die Abgeordneten selbst liefern einen Teil ihres Politikereinkommens als „Parteisteuer“ ab. Schließlich gibt es noch Parteispenden von Unternehmen, Einzelpersonen und Verbänden. Seit Jahrzehnten werden die Politikergehälter, die vielen Menschen zu hoch erscheinen, öffentlich kritisiert. Seit 1997 gibt es eine „Bezügepyramide“, welche die Gehälter der Politikerinnen und Politiker regelt (s. Tabelle). Seit 2008 hat es für die höchsten Staatsämter bereits zehn „Nulllohnrunden“ gegeben. Das bedeutet bei Einrechnung der jährlichen Inflation für diese Politikerinnen und Politiker einen Kaufkraftverlust von 7 000–10 000 Euro monatlich (Stand: 2025). Normalerweise steigen die Politikerbezüge gleich wie die Pensionen oder werden der jährlichen Inflation angepasst. Führungskräfte in der Privatwirtschaft wie auch in staatsnahen Betrieben verdienen im Vergleich deutlich mehr als (Spitzen-)Politikerinnen und (Spitzen-)Politiker. Daher ist es auch nicht immer leicht, Spitzenkräfte für politische Ämter zu gewinnen. Der „Parteienproporz“ Seit dem Beginn der Zweiten Republik, besonders seit Bildung der ersten Großen Koalition (1947), sicherten sich ÖVP und SPÖ ihren Einfluss in allen staatlichen und staatsnahen Bereichen. Sie teilten alle Führungspositionen untereinander auf oder besetzten sie doppelt (= Proporzdemokratie), auch um sich gegenseitig kontrollieren zu können. Bundeskanzler Josef Klaus kritisierte 1971 im Rückblick auf die eigene Amtszeit die Auswüchse dieses Systems: Q Im Proporz fand die Praxis der totalen Machtergreifung im Staat durch die Koalitionsparteien ihre Fortsetzung, Stellenbesetzungen, Subventionen, ja sogar Regierungs- und Beamtendelegationen, die ins Ausland reisten, mußten im Verhältnis 1:1 besetzt werden. (Klaus, Macht und Ohnmacht in Österreich. Zit. in: Rathkolb, Die paradoxe Republik, 2011, S. 53 f.) Dieses Proporzsystem setzte sich von „oben“ nach „unten“ fort: In verschiedenen Institutionen bzw. Betrieben ist z. T. bis heute zumindest eine Parteinähe für eine Anstellung erforderlich. Das Ende der Großen Koalition 1999 bedeutete nicht das Ende des Proporzsystems. 3. Die Parteien der Zweiten Republik 36 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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