sprachreif 2, Schülerbuch

2 4 6 8 „Saget mir ieman: waz ist minne?“ So lautet der Titel eines Minneliedes von Walther von der Vogelweide (deutschsprachiger Lyriker des Mittelalters, ca. 1170–1230) übersetzt: Kann mir jemand sagen: Was ist Liebe? Nicht erst im Mittelalter stellten sich die Menschen die Frage, was denn nun „die Liebe“ eigentlich sei: Romantische Liebe, platonische Liebe, Gottesliebe, Naturliebe, Tierliebe, Kinderliebe, Kulturliebe etc. – es gab und gibt viele Ausprägungen. A23 Lesen Sie die (ins Neuhochdeutsche übersetzten) ersten beiden Strophen des Minneliedes von Oswald von Wolkenstein (Südtiroler Minnesänger, -dichter und -komponist) mit dem Titel An die Entfernte sowie das kurze Minnelied Sommers Abschied von Dietmar von Aist (oberösterreichischer Minnesänger, Vertreter der donauländischen Lyrik). Suchen Sie sich danach eines der Themen von Minnesang aus und verfassen Sie ein eigenes „Minnelied“. Oswald von Wolkenstein: An die Entfernte Herz, Mut, Leib, Seel’ und was ich hab’, Ein lieblich Angesicht erfreut, Dem will ich treu sein bis ins Grab, Zu dienen stetiglich bereit. Frau, du sollst unvergessen sein In meinem Herzen ewiglich, Und wär’ derselbe Wille dein, Fühlt’ mehr ich als ein Kaiser mich. Ich wollt’, du wüsstest nur zum Teil Die Freundschaft, die ich zu dir trag’; Doch wär’ es noch ein größer Heil, Erführst du sie ohn’ Frag‘. Frau, du sollst unvergessen sein In meinem Herzen ewiglich, Und wär’ derselbe Wille dein, Fühlt’ mehr ich als ein Kaiser mich. QUELLE: http://www.deutsche-liebeslyrik.de/minnesang/minnesang_oswald_von_wolkenstein11.htm; (abgerufen am 05.12.2020) 10 12 14 16 MERKENSWERT Minnesang In der hohen Minne drückte ein Ritter (= Adeliger) seine Gefühle für eine adelige Dame aus, die niedere Minne wiederum fand z. B. zwischen einem Ritter und einem Bauernmädchen statt, während es sich bei der ebenen Minne um gleichberechtigte Gefühle handelte. Ritter warben durch Minnesang, gesungene Liebeslyrik, um ihre Damen. Trugen professionelle Sänger Minnelieder vor, handelte es sich meist um Sangspruchdichtung. Begleitet wurde der Minnesang von Flöten, Lauten, Schalmeien (= Holzblasinstrumenten), Harfen und/oder Dudelsäcken. Vorbilder für den Minnesang waren ab Beginn des 12. Jahrhunderts die südfranzösischen Troubadours. Der Minnesang war so wie das Turnier eine Möglichkeit des Wettkampfes adeliger Ritter untereinander. Minnesang behandelte vor allem folgende Themen: • Leid, Schmerz: Abweisung des Ritters durch die adelige Frau • die Schönheit der Frauen • ihre guten Eigenschaften • wurde der Mann erhört: der Tagesanbruch • Treue, Beständigkeit, Freude • Sommer und Winter (Leid des Ritters wird durch das unwirtliche Wetter erhöht, selbst die Natur ist kalt und grausam) 20 1 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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