global 8. Geographie und Wirtschaftskunde, Schülerbuch

82 Kompetenzorientierte Lernziele Konstruktionen von Räumen und raumbezogenen Identitäten untersuchen raumbezogene Identitäten im Kontext der Globalisierung analysieren Emotionale Bezüge zu Erdraumausschnitten: Raumbezogene und regionale Identität Raumbezogene Identität ist das Resultat psychosozialer Prozesse. Beschrieben wurde dieses Phänomen vom Geographen Peter Weichhart. Die raumbezogene Identität geht davon aus, dass sich eine Person nicht nur über ihr Alter, ihr Geschlecht und ihren Beruf, sondern auch über ihren Geburtsort, Wohnort oder ein bevorzugtes Urlaubsziel identifiziert. Als Teil der Sozialisation beziehen Menschen bestimmte Erdraumausschnitte in ihr Selbstkonzept mit ein. Neben den physisch-materiellen Aspekten des Raumes, wie Gebäuden, Siedlungen, Plätzen und Straßen, sind im Bewusstsein auch Sitten, Bräuche, soziale Strukturen und gesellschaftliche Normen verankert. Dadurch entstehen Gruppenzugehörigkeiten und ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Raumbezogene Identität findet auf verschiedenen Maßstabsebenen statt (M2) und kann sich auf die eigene Wohnung, die Nachbarschaft oder das Stadtviertel bis hin zu einem ganzen Staat beziehen. Räume selbst haben laut dem Soziologen Detlev Ipsen keine Identität, weil sie auch keine Persönlichkeit haben. Bestimmte Personengruppen ordnen ihnen aber Eigenschaften und charakteristische Merkmale zu und bewerten Räume. Laut Ipsen bedarf es außerdem sozialer Beziehungen zu Freundinnen und Freunden, Verwandten und Bekannten, um sich mit einem Raum identifizieren zu können. Meine Straße, mein Viertel, meine Stadt Auch im Alltag begegnen uns raumbezogene Identitäten häufig. Viele Menschen sprechen von „ihrem“ Viertel oder „ihrer“ Stadt, obwohl sie damit keine Besitzansprüche hegen, sondern vielmehr ihre emotionale Bindung zu diesem Raum als Teil ihres Selbstkonzepts ausdrücken wollen. Eine ausgeprägte raumbezogene Identität fördert den sozialen Zusammenhalt und die Bereitschaft, aktiv an der Gestaltung der Region mitzuarbeiten und sich beispielsweise in Vereinen gemeinnützig zu engagieren. Regionale Identitäten entstehen aus der Interaktion von Menschen, aus denen sich bestimmte Charakteristika wie Dialekte, Redewendungen und Bräuche herausbilden. Sie signalisieren den Mitgliedern Zugehörigkeit und markieren unsichtbare Grenzen für Außenstehende. Wird dieser Identitätsraum zum Beispiel durch Zuwanderung verändert, führt das zu einer Diversifikation der gefühlten Identifikation. Raumbezogene Identität als Gegenbewegung zur Globalisierung? In Zeiten der Globalisierung, in denen Waren und Informationen aus aller Welt ständig verfügbar sind, wir global über Kommunikations- und Transporttechnologien vernetzt sind und traditionelle Bindungen zu Nationen oder Staaten weitgehend aufgelöst sind, wächst bei vielen Menschen der Wunsch nach Wiederverankerung in einen vertrauten Kontext. Zudem steht auf der einen Seite das Streben nach möglichst viel Individualität, auf der anderen Seite sehnen sich viele Menschen aber nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft. Die Sehnsucht nach Heimat und ein ausgeprägtes Heimatbewusstsein sind Phänomene, die in der heutigen Zeit an Bedeutung gewinnen und im Folgekapitel näher beleuchtet werden. Zuhause ist Zuhause? Raumbezogene Identitäten beeinflussen auch stark die Entscheidung von Menschen, wo sie ihr Leben verbringen wollen. Besteht eine enge Bindung zu einem Raum, bleiben Menschen trotz Widrigkeiten, wie zum Beispiel einem niedrigen Lohnniveau oder überdurchschnittlich hohen Mietpreisen, in dem betroffenen Ort wohnen, auch wenn sie in einer anderen Stadt oder Region zu besseren Konditionen leben und arbeiten könnten. Das zeigt deutlich, wie sehr Räume nicht nur mit ihren physischen Gegebenheiten, sondern auch mit emotionalen Bindungen und sozialen Konstrukten die Lebenswelt von Menschen beeinflussen. Region und kulturelle Identitat Eine raumbezogene kollektive Identität muss als ein gesellschaftlicher Wissensvorrat gedacht werden. Referenzpunkte dieses Wissensvorrats können landschaftliche Merkmale, lokalhistorische Begebenheiten und Bauwerke, regionaltypische Gebrauchsgegenstände, Bekleidungsgewohnheiten, typische Speisen sein. Berühmte Persönlichkeiten, Mentalitäten, Bräuche, Feste, Institutionen und der typische Dialekt des Raumes spielen ebenfalls eine Rolle. Häufig wird übersehen, dass auch technische oder wissenschaftliche Innovationen, die in einem bestimmten Raum hervorgebracht wurden, Identitätsanker sein können. Raumbezogene personale Identität leitet sich aus der kollektiven Identität des Sozialzusammenhangs ab und schlägt sich in Form des Wissens über das Typische einer Region beim Einzelnen nieder und wird – und das ist entscheidend – mit dem Gefühl persönlicher Zugehörigkeit verbunden. Auf diese Weise identifizieren sich die Menschen mit dem Raum, in dem sie leben. (http://www.kulturforum-ba.de/downloads/vortrag-region. pdf, abgerufen am 10. 11. 2018) M1 Raumbezogene Identität Konstruktionen von Räumen und raumbezogenen Identitäten untersuchen Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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