Wunderwelt Sprache 4, Lesen und Sprechen

Lies den folgenden Text. Die übergossene Alm auf dem Hochkönig Das heutige Gletscherfeld auf dem Hochkönig war einmal eine herrliche Alm, auf der viele Sennerinnen und Senner lebten. Lange Zeit taten sie zufrieden ihre Arbeit, hatten Milch, Butter und Käse im Überfluss und ein gutes Leben. Aber dieses gute Leben wurde ihnen langweilig. Sie bauten sich zum Zeitvertreib eine Kegelbahn aus Topfen, machten aus Butter Kugeln und aus Käse die Kegel. Mit der Milch wuschen sie den Fußboden auf. Zwar lieferten sie Butter, Milch und Käse auch ins Tal, aber eines Tages hatten sie keine Lust mehr, all das hinunterzuschleppen. Was sie selber nicht verbrauchen konnten, warfen sie weg. Die Butter ließen sie in großen Brocken in der Sonne schmelzen und als Bächlein ins Tal rinnen. Die Milch schütteten sie den Berg hinunter und den Käse warfen sie hinterher. Einmal kam ein Bettler, dem gaben sie nichts. Es war ihnen zu viel Arbeit, einen Becher Milch für ihn zu holen oder ihm ein Stück Brot abzuschneiden und Butter draufzuschmieren. „Geh weg“, sagten sie zu ihm. „Stör uns nicht!“ Der Bettler sah, wie ein Butterbächlein ins Tal floss und wollte sich davon etwas abschöpfen. Aber er war schon zu alt und zittrig, um sich zu bücken. Da fragte er die Almbewohner, ob er nicht sein Enkelkind oder sonstige arme Leute heraufschicken dürfe, die für ihn und auch für sich selber etwas von dem Überfluss nehmen dürften. Nur von dem, was hier nicht gebraucht würde. Aber die Almleute sagten Nein. Da kämen ja gleich ganze Haufen von Bettlern, meinten sie, wie wäre denn das, wenn sie alle daherkämen. Sie würden ja das Vieh scheu machen mit ihrem Hungergeschrei und gierigem Geschlürfe! Da wäre es mit der himmlischen Almruhe bald vorbei! „Scher dich weg“, riefen sie, „und komm nie wieder!“ Da wurde der Bettler plötzlich seltsam grau und groß und sprach: „Ruhe wollt ihr! Gut, dann sollt ihr sie haben!“ Der Bettler reichte plötzlich bis in den Himmel und seine Stimme klang wie Donner und Sturm. Gleich darauf zerfloss er in kalten Eisregen. Auch Schnee und Hagel fielen vom Himmel und bedeckten alles Grün mitsamt dem bunten Vieh darauf und die Almhütten und die Menschen darin mit ewigem Eis. Seither heißt dieses Gebiet oben auf dem Hochkönig „Übergossene Alm“. Friedl Hofbauer 1 1 5 10 15 20 25 30 26 Auseinandersetzung mit altersgemäßen Texten Förderung individueller Leseinteressen BiSt: LE 2.2, 3.2, 3.6, 3.7, 7.2 Wie die übergossene Alm … Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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