sprachreif 2, Schülerbuch

A12 Verfassen Sie gemeinsam mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner ein Protokoll einer Schulstunde. Arbeiten Sie zuerst jede bzw. jeder für sich und vergleichen Sie danach Ihre Aufzeichnungen. Nach dem Überarbeiten besprechen Sie das Protokoll mit Ihrer Lehrkraft. Eine Zusammenfassung planen A13 Lesen Sie die gekürzte Reportage zum Thema des „Brautraubes“ in Kirgisistan. Notieren Sie sich alles, was Sie für das Verständnis des Textes brauchen bzw. als notwendig erachten. Machen Sie sich stichwortartig Notizen zum Inhalt. B SCHRITT 1 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 Warum hat Ahmat seine Braut geraubt? Ahmat sagt: „Weil ich sie liebe und sie mich noch viel mehr liebt.“ Warum ist er nicht zu ihr gegangen, hat ihr seine Liebe gestanden und um ihre Hand angehalten? „Das habe ich getan. Sie hat abgelehnt. Sie wollte noch ein Jahr warten, damit wir uns besser kennenlernen.“ Warum hat er nicht gewartet? Ahmat schaut verwundert. „Meine Großmutter wohnt in meinem Haus, sie ist alt und braucht jemanden, der sich um sie kümmert. Ich konnte nicht warten.“ Also hat Ahmat Kasymbajew, 24 Jahre alt und Englischlehrer an einer weiterführenden Schule, die 22 Jahre alte Studentin Dinara geraubt. Es ist der 22. Oktober 2012. Zehn Tage zuvor hat Ahmat auf dem Basar der Bergstadt Naryn zum ersten Mal Dinara getroffen. Sie wird später sagen: „Er hat damals keinen besonderen Eindruck auf mich gemacht.“ Ahmat aber beschließt, dass diese Frau mit der sanften Stimme und dem scheuen Blick seine Ehefrau werden soll. Sie sehen sich noch einmal, dann lädt Ahmat Dinara eines Abends zu einer Spazierfahrt ein. Erst als Ahmat in Richtung seines Heimatdorfes abbiegt, begreift sie, dass sie entführt wurde. Sie will sofort weg, die Autotüren sind verschlossen. Dinara wehrt sich fünf Stunden lang im Haus von Ahmats Eltern. Ahmats Mutter bittet: „Mein Sohn liebt dich wirklich. Bitte fühl dich nicht schlecht.“ Dinara antwortet: „Denk doch an meine Mutter. Sie kommt bestimmt um vor Sorge.“ Ahmats Tante umschlingt sie mit den Armen: „Wir wurden auch gekidnappt. Ich habe mich wie du viele Stunden geweigert. Aber jetzt bin ich sehr glücklich.“ Dinara weint. „Auch wenn ihr weiter versucht, mich zu überreden, werde ich nach Hause zurückkehren.“ Ahmats Freund sagt: „Er raucht nicht, er trinkt nicht, er ist ein Lehrer. Sag ja.“ Dinara wimmert. „Ich gehe nach Hause, ich gehe nach Hause.“ Dann hält sie sich mit beiden Händen die Ohren zu. Es ist kurz nach elf Uhr amAbend, als Dinara den weißen Schal, den ihr die Verwandten auf ihr Haar legen, nicht wieder herunterzieht. Wenn sie den Schal akzeptiert, bedeutet das, dass sie einwilligt. Am Morgen nach der Entführung schlachtet Ahmat ein Schaf. Die Hochzeitsfeier dauert eine Woche. „Ich habe einen guten Mann, ich würde sogar sagen, es ist ein großartiger Mann. So einen Mann muss man lieben.“ Dinara ist voll des Lobes für Ahmat. Sie glaubt jetzt, was sie früher nie glauben wollte: dass die Liebe nach der Hochzeit wachsen kann. Es ist ziemlich überzeugend, wie sie das sagt. Doch dann erzählt sie von ihrem Freund, den sie damals liebte, als Ahmat sie entführte. Er war gerade in Moskau, um Arbeit und Lohn zu suchen. Dinara hat mit ihrem Freund nach der Hochzeit noch einmal telefoniert. „Wir haben beide viel geweint.“ Sie erzählt auch von ihrer eigenen, längst verworfenen Idee, in die Türkei zu ziehen und dort zu leben. „Ich wäre wirklich sehr gern gefahren.“ Manchmal überfällt sie die Wehmut, wenn sie an die großen Pläne von damals denkt. „Aber dann kommt Ahmat und tröstet mich. Ich hätte es doch gut getroffen. Und er hat Recht.“ Dinara krempelt die Ärmel 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 Der weiße Schal Von Diana Laarz | 09. 2013 Es ist Tradition, sagen die Männer. Es ist unmenschlich, sagen die Frauen. In Kirgisistan wird um Bräute nicht geworben, sie werden einfach geraubt. 15 Schriftliche Kompetenz Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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