global Maturatraining

33 Konvergenzen und Divergenzen europäischer Gesellschaften erörtern 15 Auf der Suche nach Zukunftsperspektiven – Wanderungsziel Europa „Wanderung“ entsteht überall dort, wo ein wirtschaftliches, soziales und politisches Gefälle zwischen Herkunfts- und Zielregionen existiert. Die weitgehend offenen Grenzen Europas haben gemeinsam mit Billigtransporten und einem leider vermehrt auftretenden Schlepperunwesen zu einer nie gekannten Mobilität beigetragen. 1 Nennen Sie Gründe für Migration allgemein. Fassen Sie die wesentlichen Aussagen aus M1 zusammen. Erläutern Sie die Folgen dieser Arbeitsmigration aus der Sicht der betroffenen Migrantinnen und Migranten und aus der Sicht ihres Herkunftslandes. 2 Werten Sie die Grafik M3 aus. Erörtern Sie die Möglichkeiten der EU-Mitgliedstaaten zur besseren „Verteilung“ der Asylwerberinnen und -werber. { } 3 Interpretieren Sie den Text M4. Stellen Sie die Chancen qualifizierter Arbeitskräfte aus der Ukraine denen von wenig qualifizierten oder illegalen Einwanderern gegenüber. 4 Erklären Sie den Unterschied zwischen Arbeitsmigration und Asylwerbertum (M1, M2, M3, M4). } { Was deutscher Spargel mit Rumäniens Armut zu tun hat Zehntausende Erntehelfer aus Rumänien jobben jedes Jahr ab dem Frühjahr auf deutschen Feldern, weil sie damit deutlich mehr Geld verdienen als in ihrer Heimat. Während sie die Ernte in Deutschland einbringen, fehlen sie jedoch in der Landwirtschaft in Rumänien. Eine 1 500 km lange Anreise wird der rumänische Erntehelfer Anton Echert bis zum thüringischen Spargelhof Kutzleben haben. Er ist Vorarbeiter für gut 90 rumänische Sonderkräfte, die den Spargel vom Feld holen und für den Verkauf vorbereiten sollen. Im zweiten Pandemiejahr in Folge weiß er längst, was sein Team an Hygiene- und Abstandsregeln erwartet. „Wir hatten auf dem Hof im vorigen Jahr keinen einzigen Corona-Fall, das stimmt mich zuversichtlich“, sagt er. Ein Krankheitsfall würde seine Pläne und die der anderen Erntehelfer völlig durchkreuzen: Sie kommen nach Thüringen, um möglichst viel zu arbeiten und viele Ersparnisse nach Hause zu bringen. Trotz Arbeit armutsgefährdet Gut ein Drittel aller 940 000 Beschäftigten in der deutschen Landwirtschaft sind Saisonkräfte wie Anton Echert: Sie bestellen von Frühjahr bis Herbst die Felder mit, sie bringen bei Wind und Wetter die Ernte ein, sie werden für die Handarbeit bei arbeitsintensiven Kulturen wie Spargel, Erdbeeren oder Gurken gebraucht. Für diese Erntejobs bewerben sich schon lange keine einheimischen Arbeitnehmer mehr, sondern Osteuropäer, darunter viele Rumänen: Sie sind prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse von zuhause gewohnt, sie erleben häufig, dass es für viel Arbeit nur wenig Geld gibt. Jeder sechste Erwerbstätige in Rumänien gilt trotz Job als armutsgefährdet, in keinem anderen Land der EU liegt dieser Anteil so hoch. Vorabeiter Echert verdingt sich lieber in Thüringen als in Rumänien. Früher besserte er mit der Spargelsaison sein Gehalt als Beamter der rumänischen Staatsbahn auf. Inzwischen ist er im Ruhestand, doch das Arbeiten hat er trotzdem nicht aufgegeben. Seine Monatsrente von 500 Euro in Rumänien könnte durchaus einen Zuschuss vertragen, scherzt der 61-Jährige am Telefon. Echerts Stundenlohn auf dem Spargelhof ist mit den Jahren kontinuierlich gestiegen: von 3,50 auf 9,50 die Stunde; in zwei Monaten Ernte in Deutschland kann er heuer die Hälfte seiner rumänischen Jahresrente verdienen. So spürbar die Lohnerhöhung ist, so deutlich hat auch das Arbeitspensum zugenommen. Spargelbauer Jan Niclas Imholze heuert in diesem Jahr nur noch zwei Drittel der Saisonbelegschaft an, verglichen mit 2019. „Nicht, dass es weniger Arbeit gibt, sie verteilt sich nur auf weniger Schultern“, sagt der Landwirt. Im vorigen Jahr war der Spargelhof inmitten der ersten Coronavirus-Welle in eine finanzielle Schieflage geraten, Absatzwege wie die Gastronomie waren weggebrochen, Imholze meldete Insolvenz an. Für die neue Saison hat er Investoren gefunden, auch seine gewohnten Saisonkräfte aus Rumänien kommen wieder. Während Imholze bereits ernten lässt, treiben im südrumänischen Isalnita in beheizten Gewächshäusern gerade Jungpflanzen aus: Landwirt Florin Purcea lässt Gurken anbauen, die Markenfirmen in Deutschland unter ihrem Label als Konserven vertreiben. Vor über einem Jahrzehnt konnte er in der Saison gut 11 000 Tonnen liefern, jetzt ist es nur mehr ein Viertel der Ware. Er hat die Anbaufläche stark reduziert, da er in 15 Jahren gut 1 000 Saisonarbeiter verloren hat; jetzt hofft der 50-jährige Unternehmer, dass ihm in dieser Saison die verbliebenen 200 Arbeiter die Stange halten, ab Mai beginnt die Ernte. „Wenn ich deutsche Löhne zahlte, könnte ich meine Firma gleich schließen“, sagt er; seine Saisonarbeiter verdienen mit 2,50 pro Stunde etwa ein Viertel von dem, was sie in Deutschland verdienen könnten. Um überhaupt noch Arbeitskräfte zu finden, sucht Purcea inzwischen im Umkreis von 50 km und mehr. Die tägliche zweistündige Busfahrt ist gratis, entlohnt wird sie nicht. „Mal kommen die Erntehelfer, mal versetzen sie mich. Sie haben einfach keinen Elan“, klagt der Landwirt, „erst gestern haben wieder vier gekündigt, um zur Ernte nach Deutschland zu fahren.“ (https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/land-leute/spargel-kutzleben-thueringen-erntehelfer-rumaenien-100.html, Annett Müller-­ Heinze, 23. 4. 2021, abgerufen am 23. 5. 2022) M1 Erntehelfer aus Osteuropa Themenbereich 8 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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