querdenken 3 - Geschichte und politische Bildung, Schulbuch

97 Konflikte Bauernbefreiung Abschaffung der Leibeigenschaft Nach der Niederschlagung des Bauerkrieges wurden die Bäuerinnen und Bauern von vielen Grundherren weiter schlecht behandelt. Viele wurden sogar mit körperlicher Gewalt zur Arbeit gezwungen oder hart bestraft, wenn sie keine Abgaben zahlten oder Holz im herrschaftlichen Wald fällten. Die Bäuerinnen und Bauern forderten immer wieder das Ende der Grundherrschaft und die Aufhebung der Leibeigenschaft. In der Habsburgermonarchie wurde die Leibeigenschaft schließlich Ende des 18. Jh. nach und nach abgeschafft. Im sogenannten Untertanenpatent von 1781 von Joseph II. und weiteren ähnlichen Patenten erhielten die Bäuerinnen und Bauern in einigen Teilen des Habsburgerreiches das Recht, ihren Wohnsitz frei zu wählen und über Ehen frei zu entscheiden. Ihre Kinder konnten ihren Beruf selbst wählen. Aufhebung der Grundherrschaft Das Feudalsystem existierte aber bis 1848 weiter. Der im Zuge der Revolution eingerichtete Reichstag ermöglichte eine Verhandlung über die Situation der Bauern. Hans Kudlich, ein junger Abgeordneter aus Schlesien (Gebiet im heutigen Polen), stellte den Antrag „das Untertänigkeitsverhältnis samt allen daraus entsprungenen Rechten und Pflichten“ (Bauernbefreiung) aufzuheben. Am 8. August 1848 begründete er seine Forderung in einer Rede im Reichstag wie folgt: ››Kaiser Joseph II. schrieb im Untertanenpatent: O Revolutionen, S. 53 PPReichstag von 1848/49: erste Volksvertretung in der Habsburgermonarchie, vergleichbar mit unserem Parlament heute Hans Kudlich, Zeichnung So haben wir uns veranlasst gefunden, von nun an die Leibeigenschaft gänzlich aufzuheben, statt derselben eine gemäßigte Untertänigkeit einzuführen […]. Untertanenpatent 1781 (bearbeitet) ››Im Russischen Reich wurde die Leibeigenschaft erst 1861 abgeschafft. Die Bauern blieben jedoch wirtschaftlich von den einstigen Grundbesitzerinnen und -besitzern abhängig. Sie mussten das von ihnen bewirtschaftete Land nämlich zu sehr hohen Preisen kaufen, was für viele gar nicht möglich war. mp28xy Straßenverzeichnis Alle Versammlungen, welche eine Verfassung für das Volk aufzustellen haben, müssen damit anfangen, die Menschenrechte anzuerkennen […]. Wir müssen die Lasten aufheben, welche noch von dem vermoderten Mittelalter her auf ihrem Rücken lasten, sowie auch das drückende Bewusstsein, einen Herrn zu haben und von dessen Willen abhängig zu sein. Offizielle stenografische Berichte, 8. August 1848, S. 424 (bearbeitet) An Kudlich erinnern heute u. a. verschiedene Gedenktafeln und die Kudlichgasse in Wien. Straßenschild der Kudlichgasse, Foto, 2017 (Wien) A2 • Gib die Rede von Kudlich in eigenen Worten wieder. • Vergleiche seine Forderungen mit denen der „Zwölf Artikel“ (S. 114). • Nimm Stellung dazu, dass heute noch mittels eines Straßennamens an wichtige Persönlichkeiten gedacht wird. • Formuliere eine mögliche Begründung für die Benennung einer neuen Straße oder Gasse in deinem Wohnort. (HMK) Nach dem Beschluss der Bauernbefreiung 1848 wurde das bäuerliche Untertänigkeitsverhältnis endgültig beendet. Im Zuge der sogenannten „Grundentlastung“ erhielt die Bauernschaft den Grund und Boden, den sie bewirtschaftete. Sie musste dafür einen bestimmten Betrag bezahlen. Da dieser sehr gering war, konnte die Grundentlastung innerhalb weniger Jahre abgeschlossen werden. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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