Zellkern-Logistik - Unbekannter Transportweg ins Zellinnere entdeckt

Zellkern-Logistik - Unbekannter Transportweg ins Zellinnere entdeckt

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Medizinischen Universität Graz hat einen alternativen Mechanismus erkannt, der den Transport von Eiweißen in den Zellkern ermöglicht. Diese Entdeckung, die das Verständnis der zellulären Steuerung vertieft, könnte langfristig neue Therapieansätze für Krankheiten wie Krebs und Alzheimer bieten, hieß es vonseiten der Med Uni Graz in einer Aussendung.


In der menschlichen Zelle regulieren bestimmte Eiweiße im Zellkern zentrale Prozesse wie das Zellwachstum, -reparatur oder auch Stressreaktionen. Ist der Transport dieser Eiweiße in die Zelle gestört, kann das gravierende Folgen - vom unkontrollierten Zellwachstum bei Krebs bis hin zu Fehlfunktionen - haben, schilderte Tobias Madl vom Otto Loewi Forschungszentrum der Med Uni Graz. Er untersucht, wie Proteine (Eiweiße) bei der Steuerung der Signalübertragung auf molekularer und funktioneller Ebene wirken.


Molekulare "Zugangskarte" entdeckt

Im Hinblick auf die Regulation der Signalübertragung in Zellen hat Madl einen schönen Vergleich gefunden: "Man kann sich den Zellkern wie ein sicheres Regierungsgebäude vorstellen: Nur wer den richtigen Ausweis hat, bekommt Zugang", so der Grazer Professor für Medizinische Chemie. Nun hat ein internationales Team an der Med Uni Graz gemeinsam mit Kollegen aus Mainz einen neuen Typ dieser "molekularen Zugangskarten" enthüllt. Er könnte für die Krebsbiologie bedeutsam werden.


Die Forschung ging bisher davon aus, dass der molekulare Code im Regelfall eine bestimmte Abfolge von Aminosäuren wie Serin oder Arginin ist. Dabei muss das Serin mit einer Phosphatgruppe verbunden sein - Fachleute bezeichnen diesen Zustand als Phosphorylierung. In so einem Fall erkennt der "Sicherheitsdienst" in Form des Transportproteins TNPO3 das Eiweiß als zutrittsberechtigt. Wie sich in der jüngsten Studie aber gezeigt hat, existiert ein alternativer Transportmechanismus. Er basiert auf der Aminosäure Tyrosin - und kommt noch dazu ganz ohne Phosphorylierung aus, um in den Zellkern zu gelangen. Dass ein Transportweg ganz ohne Phosphorylierung funktioniert, war so bisher nicht bekannt. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.


Musterbeispiel CIRBP

Das Team hat sich den neu entdeckten Mechanismus anhand des Proteins CIRBP näher angesehen. Dieses spielt bei der Zellreaktion auf Stress, Alterungsprozesse und möglicherweise auch bei der Krebsentstehung eine Schlüsselrolle. Die Forscherinnen und Forscher haben entdeckt, dass Tyrosin-Bausteine als molekulare "Klettpunkte" fungieren, die eine stabile Bindung an TNPO3 herstellen und den Transport von CIRBP in den Zellkern ermöglichen. Wie sich zeigte, würde in diesem Fall eine Phosphorylierung den Transport blockieren, anstatt ihn zu unterstützen. "Unsere Ergebnisse zeigen, wie vielschichtig und flexibel die zelluläre Steuerung tatsächlich ist", sagte Qishun Zhou, Erstautor der Studie.


Madl betonte die Bedeutung für die Medizin: "Das ist Grundlagenforschung - aber mit großem Potenzial für die Zukunft. Je besser wir die inneren Abläufe der Zelle verstehen, desto gezielter können wir eingreifen, wenn sie aus dem Gleichgewicht geraten - sei es bei Krebs, Alterserkrankungen oder anderen zellulären Störungen."


Die Studie wurde in Zusammenarbeit der Universität Graz und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz durchgeführt. Dabei kamen hochauflösende strukturbiologische Methoden wie NMR-Spektroskopie und Röntgenkristallographie zum Einsatz.


Service: Q. Zhou, T. Sagmeister, s. Hutten T. Madl et al.: Structural basis of phosphorylation-independent nuclear import of CIRBP by TNPO3. https://www.nature.com/articles/s41467-025-59802-2


Steiermark Science zellbiologie zellkern

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