Der in Skandinavien heimische Berglemming (Lemmus lemmus) gehört laut einer Erbgutanalyse von Forschenden zu den Säugetierarten, die es erst am kürzesten gibt. Er dürfte sich tatsächlich erst vor rund 35.000 Jahren von seinen sibirischen Kollegen abgespaltet und danach während des Eiszeit-Maximums recht eigenständig weiterentwickelt haben. So sind ihm Gene eigen, die ihm offenbar seine eigene Fellfärbung bescheren und beim Überwintern helfen, heißt es im Fachblatt "PNAS".
Zu dem Autoren-Team um Edana Lord von der Universität Stockholm gehörte auch Stefan Prost vom Naturhistorischen Museum (NHM) Wien und der Universität Wien. Das in der Bergtundra Skandinaviens und Kola-Halbinsel lebende Tier ist nicht die einzige Lemmingart. Der geografisch naheliegendste Quasi-Cousin ist der Sibirische Lemming (Lemmus sibiricus). Wie nahe die beiden kleinen Nagetiere - von denen übrigens keines den Hang zum in der Popkultur gerne aufgegriffenen Massensuizid verspürt - genetisch beisammenliegen und wann sich ihre Wege getrennt haben, ist wissenschaftlich umstritten, schreiben die Forscherinnen und Forscher in ihrer Arbeit.
Anhand von Analysen des Erbguts des Berglemmings, seiner sibirischen oder nordamerikanischen heutigen Verwandten sowie der DNA zweier Vertreter von ausgestorbenen Lemmingpopulationen ging man an die Beantwortung der Fragen. Die Ergebnisse zeigen, dass es sich beim Berglemming keineswegs um eine Unterart der sibirischen Tiere handelt. Detail am Rande: Auf Basis der neuen Daten schlagen die Wissenschafter sogar vor, die Sibirischen Lemminge in einen östlichen und einen westlichen Strang zu unterteilen.
Die skandinavischen Tiere dürften sich in der Zeit vor 36.400 bis 34.000 Jahren sehr nachhaltig von den anderen Spezies entfernt haben. Während dem darauffolgenden letzten Eiszeit-Maximum hat sich diese Spaltung offenbar fortgesetzt und die genetische Kluft weiter vertieft. Damit sei der Berglemming eine der jüngsten bekannten, eigenständigen Säugetierarten, heißt es. Die Analysen zeigen auch keine Hinweise auf eine Vermischung zwischen Berglemmingen und den westlichen Sibirischen Lemmingen in den vergangenen Jahrtausenden - obwohl die sehr mobilen Tiere durchaus zwischen den Heimatregionen der beiden Arten wechseln könnten.
Im Genom des Berglemmings fanden die Forscher überdies eine Genveränderung, die sie mit der Fellfärbung in Verbindung bringen. Es könnte sein, dass diese Variante den Tieren ihr markantes gelb-schwarzes Fell beschert. Dazu kommen Genveränderungen, die seine Fähigkeit zum Farbensehen, seine Stoffwechsel-Reaktionen unter Stress und die Zeugungsfähigkeit der Männchen beeinflussen könnten. Zudem fand man Hinweise, dass sich der Fettstoffwechsel der Berglemminge von dem anderer Lemminge unterscheidet - ein Faktum, das Sinn mache, da das Überwintern für Berglemminge aufgrund ihres herausfordernden Lebensraumes schwieriger sein dürfte. All diese Erbgut-Änderungen scheinen schon sehr rasch nach der Trennung der Arten eingetreten zu sein.