Wie lässt sich ein respektvolles Miteinander in der Klasse fördern? Darüber spricht im Podcast #KlasseZwanzigZukunft Anja Gerhartl, Sozialarbeiterin und Leiterin von „Respekt: Gemeinsam stärker“.
Ist die Jugend heute wirklich respektloser? Anja Gerhartl sieht das im Gespräch mit öbv-Geschäftsführer und Podcast-Host Philipp Nussböck nicht so: Schule sei in erster Linie ein Abbild der Gesellschaft. Krisen, Konflikte und Spannungen dringen in den Schulalltag ein – und zeigen sich dort in vielfältiger Form. Jugendliche seien aber nicht per se respektloser als früher, vielmehr brauche es neue Werkzeuge, um den Herausforderungen zu begegnen.
Ein zentraler Baustein: Sozialarbeit an Schulen. Lehrkräfte können nicht alles allein schultern. Viele Probleme haben ihre Wurzeln außerhalb des Klassenzimmers – in Familien, im sozialen Umfeld oder in belastenden Lebenssituationen. Mehr Sozialarbeit und Schulpsychologie würde Lehrkräften entlasten und den Schüler*innen helfen.
Anja Gerhartl betont: Respekt kann nicht einseitig eingefordert werden, er muss in erster Linie selbst gelebt werden. Es dürfe nicht im Fokus stehen, dass Kinder „funktionieren“, sondern darum, gegenseitige Wertschätzung zu leben.
Schüler*innen verbringen viele Jahre mit einer Klassengemeinschaft, die sie sich nicht aussuchen konnten. Unterschiedliche Hintergründe, Wissensstände und Persönlichkeiten prallen aufeinander. Umso wichtiger ist es, Regeln und Werte gemeinsam zu entwickeln. Wenn Schüler*innen mitgestalten dürfen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich alle daran halten.
Respektvolles Miteinander entsteht nicht nur in großen Projekten, sondern auch im ganz normalen Unterrichtsalltag. Schon kurze, ritualisierte Übungen können viel bewirken: ein täglicher „Stimmungsbarometer“-Kreis zu Beginn der Stunde, bei dem jeder Schülerin mit einem Wort sagt, wie es ihm oder ihr geht; eine gemeinsame Reflexionsrunde am Ende der Woche, in der die Klasse bespricht, was gut funktioniert hat und was verbessert werden könnte; oder ein rotierender „Klassenjob“, bei dem Schüler*innen Verantwortung übernehmen – vom Ordnerdienst bis zur Moderation einer Diskussion. Solche kleinen Routinen geben Kindern das Gefühl, gesehen und gehört zu werden, und fördern damit automatisch Respekt und Empathie.
Ein oft unterschätzter Faktor ist die Bewegung. „Junge Menschen sitzen oft acht Stunden am Tag – da werde ich auch unruhig!“, betont Gerhartl. Ob durch kurze Aktivierungsübungen, Spiele oder Sportangebote: Wenn Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, ihre Energie loszuwerden, sinkt die Wahrscheinlichkeit für respektloses Verhalten.
Auch die Eltern spielen eine große Rolle. Workshops und Elterncafés sollen Barrieren abbauen und einen niedrigschwelligen Austausch ermöglichen – oft in mehreren Sprachen. Manche Eltern engagieren sich stark, andere sind schwer erreichbar. Für Schulen bleibt die Herausforderung, Vertrauen aufzubauen und Eltern als Partner ins Boot zu holen.
Am Ende des Gesprächs fasst Anja Gerhartl drei konkrete Maßnahmen zusammen, die jede Lehrkraft sofort ausprobieren kann:
Respekt in der Schule ist keine reine Aufgabe der Lehrkräfte – es ist ein gesellschaftliches Thema. Politische Rahmenbedingungen, Ressourcen, Elternarbeit und die Zusammenarbeit mit Expert*innen sind entscheidend. Gleichzeitig können Lehrkräfte durch Haltung, Klarheit und Beteiligung den Unterschied machen. Respekt entsteht dort, wo er gelebt und vorgelebt wird – nicht durch Drohungen oder Strafen. So wird Schule zu einem Ort, an dem Kinder und Jugendliche erfahren, wie man Konflikte löst, Verantwortung übernimmt und andere ernst nimmt.
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