Sind Hausübungen sinnvoll?

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Titelbild Magazin Podcast6

Sind Hausübungen ein unverzichtbares Lerninstrument oder eher eine Gefahr für die Bildungsgerechtigkeit? Darüber spricht im Podcast #KlasseZwanzigZukunft Familienpsychologin Simone Breitenfeld.

öbv-Geschäftsführer und Podcast-Host Philipp Nussböck diskutierte mit Kinder-, Jugend- und Familienpsychologin Simone Breitenfeld von der Praxis Fördercheck den Sinn oder Unsinn von Hausübungen. Sie beleuchten dabei, wie Hausübungen gestaltet sein sollten, welche Alternativen es gibt und ob es sinnvoll wäre, sie ganz abzuschaffen.

Was bringt die Hausübung eigentlich?

Die zentrale Erkenntnis gleich vorweg: Ob Hausübungen sinnvoll sind, hängt davon ab, wie sie gestaltet sind. Aufgaben, die lediglich ungelösten oder zu kurz gekommenen Stoff aus dem Unterricht nach Hause verlagern, verfehlen in der Regel ihr Ziel. Breitenfeld betont: „Wiederholung ist wichtig – aber in einem überschaubaren Rahmen.“ Wenn Kinder nicht wissen, was sie tun sollen oder sich vor einem Aufgabenberg überfordert fühlen, ist das kontraproduktiv.

„Hausübungen sollten vom Umfang her überschaubar für die Kinder sein, sodass sie motiviert werden und nicht einen Riesenberg vor Augen haben.“

Hausübungen können hilfreich sein, wenn …

  • sie den Unterrichtsstoff gezielt wiederholen
  • nicht auf neue Inhalte setzen, sondern Bekanntes vertiefen
  • sie klar vorbereitet und angekündigt sind
  • alle Hausübungen gemeinsam in maximal 20–30 Minuten (Volksschule) bzw. ca. 45 Minuten (Sekundarstufe) erledigt werden können

Die unterschätzte Rolle der Eltern

Ein oft übersehener Aspekt ist die Haltung der Eltern. „Wenn Eltern jeden Tag betonen, wie stressig Hausübungen sind, nimmt das Kindern die Motivation“, so Breitenfeld. Die Psychologin rät dazu, Hausübungen nicht als Familienkrise zu behandeln, sondern sie als alltäglichen Lernmoment zu integrieren – ohne Perfektionismus, aber mit ehrlichem Interesse am Tun der Kinder.

„Auch Eltern können beitragen, dass die Hausübung als weniger belastend erlebt wird. Wenn sie jeden Tag wiederholen, wie stressig die Hausübung für das Familienleben ist, nehmen sie dem Kind die Motivation.“

Eltern können unterstützen, indem sie…

  • sich einen Überblick über die Hausübungen verschaffen
  • die Selbstständigkeit fördern, statt ständig zu kontrollieren
  • Fehler zulassen und sie als Lernchance verstehen
  • motivierende Lernumgebungen schaffen (z. B. Post-its am Spiegel, Vokabelkarten beim Zähneputzen)

Was auf den ersten Blick der Idee der „Eigenständigkeit“ widerspricht, sieht Breitenfeld differenzierter: Gemeinsames Lernen mit Freund*innen kann entlasten und motivieren. Dabei lernen Kinder nicht weniger selbstständig – im Gegenteil: Sie üben zusätzlich soziale Kompetenzen wie Absprachen, Planung und gegenseitige Unterstützung.

Bildungsgerechtigkeit: Wie fair sind Hausübungen?

Ein großer Knackpunkt: Nicht alle Kinder haben die gleichen Voraussetzungen zu Hause. Während manche auf Unterstützung zählen können, stehen andere allein da – sei es aus sprachlichen, sozialen oder zeitlichen Gründen. Simone Breitenfeld plädiert deshalb für alternative Modelle wie:

  • Übungszeiten in der Schule, z. B. in Ganztagsklassen
  • Strukturierte Lernstunden statt Hausaufgaben zu Hause
  • Förderunterricht oder Nachmittagsangebote, die gezielt wiederholen

Ihr Fazit: „Der Übungseffekt ist wichtig – aber er muss nicht zwangsläufig zu Hause stattfinden.“

„Ob Hausübungen sinnvoll sind, kommt auf ihre Gestaltung an. Grundsätzlich ist es wichtig, dass man Dinge wiederholt, die man gelernt hat.“

Tipps für Lehrkräfte: So geht Hausübung besser

In der abschließenden Fragerunde nennt Simone Breitenfeld drei konkrete Empfehlungen, die Lehrkräfte sofort umsetzen können:

  1. Keine neuen Inhalte in die Hausübung geben!
    Hausübungen sollten Bekanntes festigen, keine Verlegenheitslösung für verpassten Stoff sein.
  2. Die Aufgaben müssen überschaubar sein.
    Ein klarer Rahmen, z. B. „drei Beispiele wie im Unterricht“, hilft Kindern beim Start und beugt Frust vor.
  3. Vorbereitung ist entscheidend.
    Im Unterricht kurz besprechen, worum es bei der Hausübung geht – so können Kinder selbstständig arbeiten, ohne dass zu Hause erst gerätselt werden muss, was gemeint war.

Schule der Zukunft: Lernen ohne Hausübung?

Ganz auf Hausübungen zu verzichten, hält Breitenfeld nicht für notwendig – wohl aber für einen offenen, flexiblen Umgang mit dem Begriff. Warum nicht statt klassischer Aufgaben Projekte, Lesestoff oder kreative Präsentationen in den Vordergrund stellen? Aber sie kann sich auch eine hausübungsfreie Schule vorstellen, wenn Wiederholung fix im Schulalltag verankert ist. Ob es in Zukunft noch Hausübungen geben wird, bleibt also offen.

„Ob es in der Schule der Zukunft noch Hausaufgaben geben wird? Ich hoffe, das selbstständige Erarbeiten bleibt – das muss aber nicht zwingend zu Hause stattfinden.“

Das klingt interessant?

Dieser Artikel ist nur eine verkürzte Zusammenfassung. Noch mehr kluge Gedanken und interessante Inspiration gibt es in der Podcastfolge.

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