Wie können Lehrkräfte sensibel mit Queerness umgehen?

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Titelbild Magazin Podcast2

Wie kann die Schule dazu beitragen, dass queere Jugendliche sich akzeptiert und nicht bedroht fühlen? Darüber spricht Aaron Désor im Podcast #KlasseZwanzigZukunft.

Wie können Lehrkräfte Fragen von Jugendlichen zu queeren Themen aufgreifen? Welche Toiletten und Umkleiden stehen queeren Schüler*innen offen? Und wie lässt sich ihre Begleitung sensibel und unterstützend gestalten? Aaron Désor von queerconnexion teilt im Podcast #KlasseZwanzigZukunft Erkenntnisse aus der eigenen Forschung zur Erfahrung queerer Jugendlicher an Schulen und gibt praxisnahe Tipps aus der Workshoparbeit im Klassenzimmer.

Ob queere Jugendliche in der Schule Unterstützung erfahren oder Diskriminierung erleben, ist Glückssache, sagt Aaron Désor. Ob Schule zur Belastung wird oder nicht, hängt davon ab, mit welchen Lehrkräften sie konfrontiert sind: „Wenn sich die Direktion oder Lehrkraft nicht auskennt oder nicht offen ist, dann machen betroffene Schüler*innen sehr schwierige Erfahrungen.“ Aaron Désor erzählt von jungen Menschen, denen der Zugang zu Toiletten oder Umkleideräumen verwehrt wurde, oder von einer Schule, die sich weigerte, den richtigen Namen auf einem Praktikumsnachweis zu verwenden. Kein Wunder, dass viele queere Jugendliche Schule als einen bedrohlichen Ort wahrnehmen. Wie können Lehrkräfte das ändern?

Für ein Outing gibt es kein Schema F

Wenn sich ein*e Schüler*in outet, ist das bereits ein großer Vertrauensbeweis. Was können Lehrpersonen tun, um damit verantwortungsvoll umzugehen? Entscheidend ist: Ein Outing ist sehr individuell, jede*r hat dabei andere Bedürfnisse. Der erste Schritt sollte immer das persönliche Gespräch sein. Es ist wichtig, zuzuhören und Fragen zu klären wie:

  • Möchtest du, dass die Klasse informiert wird?
  • Wünschst du dir Unterstützung dabei?
  • Welche Pronomen sollen verwendet werden?
  • Gibt es Kontexte, in denen du noch nicht geoutet bist und wo besonderes Fingerspitzengefühl nötig ist?
„Wenn Lehrkräfte Queerness auf unaufgeregte Weise im Schulalltag thematisieren, signalisiert das betroffenen Schüler*innen: An die Person kann ich mich wenden, ohne Angst haben zu müssen.“

Queerness als selbstverständlicher Teil des Schulalltags

Aaron Désor plädiert dafür, Queerness als selbstverständlichen Teil des Schulalltags zu behandeln. Sichtbarkeit schafft Sicherheit. Wenn eine Lehrperson sich selbst mit Pronomen vorstellt oder queere Autor*innen und Lebensrealitäten in den Unterricht integriert, signalisiert sie, dass queere Jugendliche willkommen sind und bietet sich als „sichere Person“ an, falls diese Gesprächsbedarf haben. Queere Perspektiven lassen sich in vielen Fächern einbinden:

  • Im Deutschunterricht mit queeren Figuren in der Lektüre
  • Im Englischunterricht mit Texten über LGBTQIA+-Themen
  • In Geschichte können queere historische Persönlichkeiten Raum finden
  • In der Biologie kann Sensibilität in der Sprache einen Unterschied machen

All das hilft nicht nur queeren Schüler*innen, sondern fördert generell das Verständnis für Vielfalt.

„Queerness kann man in den Unterricht einbinden, egal welches Fach man unterrichtet – wie jeden anderen Teil des Lebens auch.“

Haltung zeigen: Gegen Queerfeindlichkeit aufstehen

Ein weiterer wichtiger Punkt aus dem Gespräch: Queerfeindlichkeit im Klassenzimmer darf nicht unwidersprochen stehen bleiben. Wenn zum Beispiel Begriffe wie „schwul“ als Schimpfwort verwendet werden, müssen Lehrpersonen klar Stellung beziehen – auch wenn sie inhaltlich unsicher sind. Aaron Désor sagt dazu: „Selbst wenn ich nicht viel über das Thema weiß – ich kann trotzdem sagen: Das ist nicht in Ordnung.“ Wer queerfeindliches Verhalten nicht thematisiert, signalisiert ungewollt Zustimmung.

„Das Wichtigste ist, sich klar gegen Queerfeindlichkeit zu positionieren. Wenn in der Klasse ‚schwul' als Schimpfwort verwendet wird oder andere queerfeindliche Beleidigungen fallen, darf das nicht einfach stehen bleiben.“

Ein Gedanke zieht sich durch das gesamte Gespräch: Es braucht nicht viel, um im Schulalltag Raum für Queerness zu schaffen. Scheinbar kleine Signale können viel bewirken. Aaron Désor betont, wie sehr es Schüler*innen hilft, wenn sie in Unterrichtsmaterialien queere Vorbilder erleben und spüren: „Ich bin nicht allein.“ Dabei geht es nicht nur um diejenigen, die sich bereits geoutet haben. Auch junge Menschen, die ihre Identität gerade hinterfragen oder ihre Gefühle nicht einordnen können, profitieren von einem Umfeld, das Fragen zulässt. Queersein ist ein Spektrum, ein Prozess – und Schule kann dabei helfen, diesen Weg sicherer zu machen.

„Es wäre toll, wenn queere Themen in der Schule mehr Raum bekommen. Eine Lehrkraft kann mit der Klasse besprechen: Warum nennen wir dieses Shirt ‚schwul' oder lachen, wenn ein Mädchen kurze Haare hat? Was macht das mit anderen?“

Was Lehrkräfte konkret tun können

Am Ende der Folge nennt Aaron Désor drei ganz konkrete Dinge, die Lehrkräfte sofort umsetzen können:

  1. Queere Lebensrealitäten in den Unterricht einbauen
    Texte, Figuren oder Autor*innen mit queeren Perspektiven ermöglichen Schüler*innen, sich selbst wiederzufinden.
  2. Raum für Queerness öffnen
    Eigene Pronomen auf Namensschildern, Pronomenrunden oder das Hinterfragen binärer oder heteronormativer Formulierungen sind wirkungsvolle Signale (z.B. „Hast du jemanden kennengelernt?“ oder „Datest du jemanden?“ statt „Hast du eine Freundin?“)
  3. Sich für Strukturen einsetzen
    Schulen sollten genderneutrale Toiletten und Umkleiden anbieten, könnten eine queere AG gründen oder einen Leitfaden zum Umgang mit Outings erarbeiten.

Auf die Frage, wie Queerness in der Schule der Zukunft behandelt wird, hat Aaron Désor eine klare Vision: Eine Schule, in der ein Outing mit einem „Cool, danke fürs Teilen – wie können wir dich unterstützen?“ beantwortet wird. Eine Schule, in der queere Themen kein Sonderfall, sondern selbstverständlich sind. Und eine Schule, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern gelebt wird. Jede Lehrkraft kann dabei einen Unterschied machen. Wer zuhört, Haltung zeigt und Raum schafft, hilft queeren Jugendlichen dabei, sich sicher und angenommen zu fühlen. Und das – so Aaron Désor – kann das Leben eines jungen Menschen entscheidend verändern.

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