Wie schafft man ein gutes Schulumfeld für Kinder mit Autismus?

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Titelbild Magazin Podcast19

Wie kreieren Lehrkräfte und Eltern ein Umfeld, das den Bedürfnissen neurodivergenter Kinder gerecht wird? Darüber spricht Melanie Hellebart von der Autistenhilfe im Podcast #KlasseZwanzigZukunft.

Für autistische Kinder ist ein regulärer Schultag oft ein Kraftakt. Im Podcast #KlasseZwanzigZukunft hat öbv-Geschäftsführer Philipp Nussböck mit der Psychologin Melanie Hellebart von der Autistenhilfe darüber gesprochen, wie man gemeinsam ein Schulumfeld schaffen kann, das den Bedürfnissen neurodivergenter Kinder gerecht wird.

Diagnose als Chance – nicht als Makel

Melanie Hellebart erlebt in ihrer Beratungspraxis häufig, dass Eltern Angst haben, ihr Kind könnte durch die Autismus-Diagnose Nachteile erleiden. Doch diese Sorge – so nachvollziehbar sie auch ist – kann dem Kind wichtige Fördermöglichkeiten vorenthalten. Denn ohne Diagnose ist zum Beispiel keine Fachassistenz möglich, wie sie in vielen österreichischen Schulen angeboten wird. „Ohne Diagnose nimmt man dem Kind die Möglichkeit einer individuellen Förderung“, sagt Melanie Hellebart ganz klar. Die Diagnose ist daher nicht das Ende eines Weges – sondern der Anfang eines gezielten Unterstützungsplans, der sowohl in der Schule als auch im privaten Umfeld wirken kann.

„Ohne Diagnose nimmt man dem Kind die Möglichkeit einer individuellen Förderung“

Kommunikation ist der Schlüssel

Ein zentraler Punkt der Podcastfolge: Autistische Kinder kann man nur dann gut unterstützen, wenn Eltern und Lehrkräfte offen und regelmäßig miteinander sprechen. Es braucht einen klaren, verständnisvollen Austausch über Strategien, die zu Hause oder in der Schule gut funktionieren – und die man sich voneinander abschauen kann.

  • Haben sich visuelle Pläne in der Schule bewährt? Dann können diese auch zu Hause hilfreich sein.
  • Gibt es Schwierigkeiten im Schulalltag? Dann lohnt sich der Austausch: Tritt dieses Verhalten auch daheim auf – und wie wird damit umgegangen?

Diese beidseitige Rückmeldung vermeidet doppelte Arbeit und Missverständnisse und sorgt für mehr Kontinuität und Stabilität, die autistische Kinder dringend brauchen.

Ein Weg passt nie für alle

Melanie Hellebart macht in der Podcastfolge auch deutlich: Nicht jede Unterrichtsform, die für neurotypische Kinder gut funktioniert, ist automatisch auch für autistische Kinder geeignet. Lehrkräfte sollten sich also nicht auf einen einzigen Weg verlassen, sondern verschiedene didaktische Zugänge ausprobieren. Das erfordert Mut zur Flexibilität – aber auch Unterstützung vonseiten des Bildungssystems. Melanie Hellebart sieht hier noch Verbesserungspotenzial, etwa in der Ausbildung von Lehrkräften.

„Die Situation in den Schulen hat sich gewandelt – das ist leider noch nicht ganz in der Lehrkräfteausbildung angekommen.“

Drei Wege zu besserem Miteinander

Am Ende des Gesprächs nennt Melanie Hellebart drei konkrete Maßnahmen, wie Eltern und Lehrkräfte gemeinsam autistischen Kindern den Schulalltag erleichtern können:

  1. Kommunikation und Informationsaustausch: von Anfang an ehrlich, regelmäßig und auf Augenhöhe.
  2. Offenheit für neue Wege: Wenn der „Standardweg“ nicht passt, gibt es immer Alternativen, die sich gemeinsam finden lassen.
  3. Wissen aneignen: Eltern und Lehrkräfte, die gut über Autismus informiert sind, können kompetent und verständnisvoll handeln.

Ein oft unterschätztes Problem ist das Gefühl, vom Gegenüber nicht verstanden zu werden – sei es von Elternseite gegenüber Lehrkräften oder umgekehrt. Diese Wahrnehmung führt leicht zu einem Gegeneinander statt zu einem Miteinander. Melanie Hellebart betont daher: Verständigung braucht Zeit, Geduld – und manchmal auch externe Unterstützung. So bietet etwa die Autistenhilfe kostenlose Gespräche an – sowohl für Eltern als auch für Lehrkräfte. Auch gemeinsame Termine sind möglich.

Wenn der Dialog stockt – wohin wenden?

Was tun, wenn die Kommunikation zwischen Elternhaus und Schule nicht funktioniert? Auch dafür hat Melanie Hellebart einige Tipps für Eltern. Der erste Schritt: das Gespräch mit der Lehrkraft oder der Schulleitung suchen. Wenn das nicht hilft, ist die Bildungsdirektion ein möglicher Ansprechpartner. „In den meisten Fällen sind Lehrkräfte sehr bemüht, eine gute Lösung zu finden“, sagt Melanie Hellebart. Doch wenn die Ressourcen fehlen, braucht es gezielte Unterstützung – rechtzeitig und gemeinsam organisiert.

„In den meisten Fällen sind Lehrkräfte sehr bemüht, eine gute Lösung zu finden.“

Autistische Kinder mitdenken – nicht übersehen

Wie sieht eine Schule der Zukunft aus, die wirklich inklusiv ist? Melanie Hellebart bringt es auf den Punkt: „Offen und respektvoll gegenüber allen Kindern, die nicht der Norm entsprechen.“ Dazu gehört es auch, Mitschüler*innen für das Thema Autismus zu sensibilisieren. Das kann durch gemeinsame Gespräche in der Klasse geschehen. Und auch autistische Kinder selbst können und sollten – alters- und entwicklungsgerecht – in Gespräche und Entscheidungen einbezogen werden.

„Die Schule der Zukunft ist offen und respektvoll gegenüber allen Kindern, die nicht der Norm entsprechen.“

Melanie Hellebart macht in dieser Podcastfolge Eltern und Lehrkräften Mut. Sie zeigt, dass Autismus kein Hindernis für Bildung ist – sondern eine Aufgabe, der wir uns gemeinsam stellen können. Mit Offenheit, Respekt und dem klaren Willen zur Zusammenarbeit. Die Schule der Zukunft beginnt dort, wo wir anfangen zuzuhören.

Weiterführende Links:

Neugierig auf mehr?

Die ganze Podcastfolge mit Melanie Hellebart finden Sie im Podcast #KlasseZwanzigZukunft – überall, wo es Podcasts gibt!

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