Wie lernt man Demokratie?

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Kann ich Demokratiebildungin allen Fächern vermitteln? Darüber spricht Lehrer und Bildungswissenschaftler Stephan Schweighofer im Podcast #KlasseZwanzigZukunft.

Rechtsruck, Politikverdrossenheit, Fake News – die Herausforderungen für unsere Demokratie sind vielschichtig. Wie kann die Schule darauf reagieren? Im Podcast #KlasseZwanzigZukunft spricht Podcast-Host Philipp Nussböck mit Lehrer und Bildungswissenschaftler Stephan Schweighofer darüber, wie Demokratiebildung in der Schule konkret aussehen kann – in allen Unterrichtsfächern.

Demokraten fallen nicht vom Himmel

Die Demokratie ist kein Selbstläufer – sie lebt von Menschen, die sie mitgestalten. Doch laut Stephan Schweighofer fehlt oft das Bewusstsein dafür, dass demokratische Errungenschaften nicht selbstverständlich sind. „Demokraten fallen nicht vom Himmel“, zitiert er den Politikwissenschaftler Theodor Eschenburg. Unser Podcastgast sieht die Schule dabei als einen zentralen Ort, um demokratische Haltung zu entwickeln.

Unter Fachexpert*innen wird aktuell diskutiert, ob politische Bildung und Demokratiebildung dasselbe sind oder ob es Unterschiede gibt. Stephan Schweighofer unterscheidet zwischen den beiden Begriffen:

  • Politische Bildung soll Schüler*innen zu mündigen Bürger*innen machen, die kritisch denken und politische Entscheidungen verstehen.
  • Demokratiebildung geht weiter: Sie legt den Fokus auf die Demokratie als Lebens- und Gesellschaftsform. Ziel ist es, junge Menschen für demokratische Grundwerte zu sensibilisieren und gegen antidemokratische Tendenzen zu wappnen.

Oft wird politische Bildung an einzelne Fächer wie Geschichte und Politische Bildung delegiert. Dabei sieht der österreichische Lehrplan Demokratiebildung als übergreifendes Unterrichtsprinzip. Unser Podcastgast betont: "Es reicht nicht, dass die Lehrkraft für Geschichte das macht. Demokratiebildung muss in allen Fächern mitschwingen."

„Es reicht nicht, dass die Lehrkraft für Geschichte das macht. Demokratiebildung muss in allen Fächern mitschwingen.“

So sieht Demokratiebildung im Chemie- oder Musikunterricht aus

Wie kann Demokratiebildung im Unterricht konkret aussehen – auch außerhalb von Geschichte und Politischer Bildung? Stephan Schweighofer liefert inspirierende Beispiele:

  • Chemie: Diskussion über Atomkraft aus naturwissenschaftlicher Perspektive in einer "Dinner Table Conversation"
  • Geografie: Übung zu Klimagerechtigkeit und globalen Verteilungsfragen: Jede Person sucht sich ein Land aus und recherchiert darüber. Dann stellen sich alle in einer Reihe auf. Die Lehrkraft stellt Fragen wie: „Wird dein Land voraussichtlich in 25 Jahren noch existieren?“ Wer die Frage mit Ja beantwortet, darf einen Schritt nach vorne machen. Anschließend kann über die globale Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Hinblick auf den Klimawandel diskutiert werden.
  • Musik: Analyse von Songtexten: Fallen die Inhalte alle unter die Meinungsfreiheit? Finden wir irgendwo antidemokratische Tendenzen oder Propaganda?

Es wird deutlich: Demokratiebildung kann nicht nur in manchen Fächern stattfinden, sondern mit ein bisschen Mut zur Perspektivenerweiterung überall einfließen.

Demokratie leben statt nur lehren

Für unseren Podcastgast beginnt Demokratiebildung mit Haltung. Lehrkräfte müssen ihm zufolge "Konturen annehmen" und sich als Vorbilder begreifen. Neutralität bedeutet nicht Beliebigkeit: "Ich darf sehr wohl Position beziehen, solange ich nicht indoktriniere."

Wichtig sei dabei eine Kommunikation auf Augenhöhe – auch im wörtlichen Sinne. Es trägt zu einer gleichberechtigten Gesprächsatmosphäre bei, wenn Lehrkräfte nicht von oben auf ihre Schüler*innen herunterschauen, sondern sich so hinsetzen, dass sie mit ihnen auf Augenhöhe sind. Ein solcher Dialog auf Augenhöhe schaffe Vertrauen, Raum für kritisches Denken – und Lust auf politische Mitgestaltung.

„Ich darf sehr wohl Position beziehen, solange ich nicht indoktriniere.“

Stephan Schweighofer kritisiert, dass viele Beteiligungsformate in Schulen reine Symbolpolitik bleiben. Echte Demokratie braucht echte Mitbestimmung – die kann aber auch im ganz Kleinen stattfinden:

  • Schüler*innen im Unterricht zwischen verschiedenen Aufgabenstellungen wählen lassen
  • Gemeinsam als Schulgemeinschaft den Schulvorplatz neu gestalten
  • Ein partizipatives Budget in der Schulbibliothek einführen, sodass die Schüler*innen abstimmen können, welche Bücher gekauft werden sollen

Nur wer Mitsprache erlebt, versteht ihren Wert.

Medienbildung als Teil der Demokratiebildung

Ein großes Thema ist auch der Umgang mit digitalen Medien. Unserem Podcastgast ist es wichtig, dass Jugendliche sich kritisch mit dem eigenen Medienkonsum auseinandersetzen. Das kann und sollte im Unterricht, aber auch im Elternhaus angestoßen werden. "Was wird mir da eigentlich in meinem Feed angezeigt?" ist eine zentrale Frage, die Jugendliche sich regelmäßig stellen sollten.

Extrempositionen zu ignorieren, sei der falsche Weg. Man dürfe sie auf keinen Fall unkommentiert stehen lassen, sondern solle sie auf jeden Fall aufgreifen und diskutieren, so Stephan Schweighofer. Das sei entscheidend, auch wenn es manchmal schwerfällt: „Wir dürfen diese Debatten nicht scheuen. Denn sonst holen sich Jugendliche ihre Antworten woanders.“

„Wir dürfen diese Debatten nicht scheuen. Denn sonst holen sich Jugendliche ihre Antworten woanders.“

Ein einzelnes Fach für Demokratiebildung sei zwar ein wichtiges Zeichen, aber nicht ausreichend. Stephan Schweighofer ruft dazu auf, demokratische Perspektiven in jedes Fach zu integrieren und außerhalb der Schule Partner zu suchen:

  • Kooperationen mit Vereinen, NGOs und Initiativen
  • Beteiligungsprojekte im Schulumfeld
  • Gespräche mit Eltern und Gemeinden

Drei Dinge, die Lehrkräfte morgen tun können

Zum Abschluss gibt unser Podcastgast drei konkrete Tipps, wie Lehrkräfte sofort mehr Demokratiebildung leben können:

  1. Gesellschaftlich am Ball bleiben: Nachrichten verfolgen, politische Entwicklungen mitdenken und zum Gespräch machen.
  2. Verbündete finden: In der eigenen Schule Verbündete suchen, um demokratische Schulkultur gemeinsam zu gestalten.
  3. Externe Angebote nutzen: Kooperationen eingehen und Fortbildungen wahrnehmen, um neue Impulse in den Unterricht zu bringen.

Wie wird Demokratiebildung in der Schule der Zukunft aussehen? "Demokratiebildung darf kein Zukunftsthema sein, sondern muss im Hier und Jetzt beginnen", sagt Stephan Schweighofer. Wer mit Jugendlichen arbeitet, prägt mit, wie unsere Gesellschaft morgen aussieht. Diese Verantwortung können und müssen Schulen aktiv annehmen – mit Haltung, Methode und Mut zur Diskussion.

Das klingt spannend?

Dieser Artikel ist nur eine verkürzte Zusammenfassung. Noch mehr kluge Gedanken und interessante Inspiration gibt es in der Podcastfolge.

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